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4.2. Ordnung-Unordnung, Thermodynamik und Phasenübergänge

a) Cluster-Variations-Modell der Ordnung in Phasen mit CsCl-Struktur (C. Ross):

Mit der Cluster-Variations-Methode (CVM) wird durch Änderung der Wechselwirkungsparameter mit den nächsten und übernächsten Nachbarn die Stabilität geordneter Strukturen auf dem CsCl-Gitter untersucht. Drei verschiedene, potentiell stabile Phasen werden modelliert; eine vollständig ungeordnete, eine mit Ordnung auf einem der einfachen kubischen Teilgitter und eine mit Ordnung auf beiden einfachen kubischen Teilgittern. Im allgemeinen unterscheiden sich die beiden gegenseitig durchdringenden Teilgitter chemisch. Wenn die Randbedingung gleicher Zusammensetzung eingeführt wird (equivalent einer gekoppelten Substitution) entstehen z.T. signifikant andere Phasendiagramme als ohne diese Randbedingung. Die Randbedingung erweitert die allgemeine Anwendbarkeit der CVM fur mineralische Systeme signifikant.

b) Cluster-Variations-Modell der Kationen-Ordnung in Omphacit (C. Ross in Zusammenarbeit mit B. Burton, USA):

CVM soll zur Klärung der Ordnungs- und Entmischungsvorgänge in omphacitischen Pyroxenen herangezogen werden, da diese möglicherweise nützliche Geothermometer oder "Speedometer" darstellen, aber experimentell wegen der Reaktionsträgheit kaum untersucht werden können. Durch die Einführung der Randbedingung der Ladungsneutralität (s.o.) in das Modell ist zu erwarten, daß die Ca-Na-Ordnung auf dem einen Teilgitter und die Mg-Al-Ordnung auf dem anderen Teilgitter erfolgreich modelliert werden kann, und damit der Gleichgewichtszustand der Ordnung bei geologisch relevanten Temperaturen beschrieben werden kann.

c) Experimentelle und theoretische Untersuchung der Suzuki-Phase (C. Ross):

Diese Phasen treten in Alkalihalogenid-Metallhalogenid-Systemen und im System MgO-MnO2 auf, wenn ein Viertel der Kationen durch ein anderes Kation mit doppelter Valenz und eine Leerstelle ersetzt wird (z.B. Mg6Mn4+ [ ]O8). In der resultierenden geordneten Struktur wechseln ein höherwertiges Kation und eine Leerstelle auf einem der einfachen kubischen Teilgitter der ursprünglichen fcc-Phase ab. Die Stabilität dieser Phasen ist bisher unbekannt. Wenn she metastabil sind, muß es ein enges Wechselspiel zwischen Ordnung und Entmischung in der kinetischen Entwicklung des Systems geben. Da die Kinetik in Halogenid-Systemen sehr rasch ist, kann dieser Prozeß untersucht werden. Die Struktur wurde stets als vollständig geordnet beschrieben, aber die mögliche Änderung des Gleichgewichtsordnungszustandes mit der Temperatur ist ebenfalls von Interesse. Zur Zeit werden die Systeme NaCl-FeCl2, NaCl-CdCl2 und MgO-MnO2 untersucht, um das Zeit-Temperatur-Transformationsverhalten von Ordnung und Entmischung zu bestimmen, bei welchem die Diffusion der Leerstelle beteiligt ist. Die Beziehungen zwischen den makroskopischen und mikroskopischen Eigenschaften sollen theoretisch mit CVM behandelt werden.

d) EXAFS-Untersuchung der Kationenordnung (C. Ross in Kooperation mit G.A. Waychunas, Stanford, und W.A. Dollase, Los Angeles):

Die Nahordnung in binären Systemen (wie MgO-FeO, MgO-LiFeO2, CaMgSi2O6 - CaFeSiO6, CaMgSi2O6 - NaFeSi2O6) und natürlichen Fe-haltigen Mineralien wird mit EXAFS über die radiale Verteilungsfunktion untersucht. Die Untersuchungen zielen auf eine quantitative Erfassung des Effektes der Nahordnung auf die thermodynamischen Eigenschaften dieser Systeme.

e) Thermodynamik der Ordnung in Spinellen (H.St.C. O'Neill, C. Ross):

Sowohl der Gleichgewichts-Ordnungszustand als Funktion der Temperatur als auch die Kinetik seiner Einstellung werden an einfachen Spinellen (z.B. NiAl2O4, FeAl2O4, ZnAl2O4) neu mit erhöhter Genauigkeit über Rietveld-Analyse der Pulver-Röntgenbeugungsdaten bestimmt. Soweit möglich, sollen auch andere Methoden wie NMR und Mössbauer-Spektroskopie herangezogen werden. Mit Hilfe dieser Information sollen die thermodynamischen Parameter der Spinell-Endglieder und schließlich die der Spinell-Mischphasen verfeinert werden. Um die Anwendbarkeit des Modells auf die Mischphasen zu untersuchen, werden neue prazise Messungen zu den thermodynamischen Eigenschaften von Mischkristallreihen wie NiAl2O4-MgAl2O4, NiFe2O4-MgFe2O4, ZnFe2O4-ZnAl2O4 und NiAl2O4-NiFe2O4 durchgeführt.

f) Thermodynamische Eigenschaften von Fe-haltigen Oxiden und Silikaten aus elektrochemischen Messungen (H.St.C. O'Neill):

Zur Zeit wird eine Apparatur für genaue elektrochemische Messungen bei hohen Temperaturen aufgebaut, in welcher Sauerstoff-spezifisch Festkörperelektrolyte wie Ca-stabilisiertes ZrO2 und Y-dotiertes ThO2 eingesetzt werden. Hiermit sollen freie Bildungsenergien synthetischer Fe-haltiger Minerale wie FeAl2O4, FeCr2O4, Fe3O4, CaFeSi2O6 etc.und Aktivitats-Zusammensetzungs-Beziehungen in synthetischen und natürlichen Fe-haltigen Phasen bestimmt werden.

g) Thermodynamische Eigenschaften von Mischkristallen (H.St.C. O'Neill):

In einer Reihe von Silikat- und Oxid-Mischkristallen werden mit Hilfe verschiedener Methoden wie EMF-Messungen und Phasengleichgewichtsuntersuchungen die Beziehungen zwischen Aktivität und Zusammensetzung bei der Substitution zweiwertiger Kationen (Ca,Fe,Mn,Co,Ni,Mg,Zn) ermittelt. Hiermit sollen zwei Ziele erreicht werden:

  1. Ermittlung präziser thermodynamischer Daten fur die direkte Anwendung auf natürliche Prozesse und
  2. Erstellung einer Datenbasis zur Überprüfung theoretischer Modelle der Mischphasenthermodynamik.

h) Phasenübergänge und lock-in-Modifikationen von Meliliten (F. Röthlisberger, F. Seifert, in Zusammenarbeit mit Th. Armbruster, Bern und M. Czank, Kiel):

Im Rahmen der Untersuchungen zur Beziehung zwischen Polymorphie, Stabilität und Chemismus von Meliliten wurden - neben den schon früher gefundenen inkommensurablen Phasen - erstmals Strukturen emdeckt, die eine kommensurable Überstruktur mit Verdreifachung der Melilitzelle in a-Richtung (Ca2CoSi2O7) bzw. Versiebenfachung der verdoppelten Melilitzelle in a-Richtung (Ca2ZnGe2O7) aufweisen. Von diesen Verbindungen konnten auch Einkristalle hergestellt werden. Ihre Strukturbestimmung mit Röntgenbeugungsverfahren erfolgt zur Zeit. Es ist zu erwarten, daß die Strukturaufklärung dieser "lock-in"-Phasen auch zu einem besseren Verständnis der Natur der Modulation in den inkommensurablen Phasen führen wird.

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